Interstellar
by Losty on Sonntag, 9. November 2014 20:10
Meine Kino-Besuche waren im Jahr 2014 irgendwie sehr dünn gesät. Leider. Zum Abschluss kündigte sich mit Interstellar allerdings doch noch ein gewisses Highlight an. Christopher Nolan, aber kein neuer Batman, Science Fiction, aber kein 3D - für mich genug Potential für einen gewichtigen Klassiker.
Das Filme mitunter recht hoch bei IMDB einsteigen ist mir bewusst, aber gleich mit 9.5 Punkten? …mittlerweile mit 9.1 Punkten den Platz #11 der Top-250-Liste… Wow!
Also hatte ich gleich kurz nach Anlaufen eine Vorstellung gebucht. Das ist mittlerweile 48h her und ich bin etwas hin und her gerissen wie ich den Film nun verbuchen soll.
Vorab: Wer den Film noch nicht gesehen hat, sollte sicherheitshalber vorerst mal direkt zum Fazit springen - im weiteren wird es einige kleinere und grössere Spoiler geben.
Christopher Nolan nennt auf der Wikipedia-Seite zu Interstellar eine ganze Reihe von Filmen, die Interstellar beeinflusst haben sollen. Das mag alles sein - mir persönlich springt davon allerdings vor allem Kubriks 2001: Odyssee im Weltraum ja fast schon als Leitfaden des ganzen Films entgegen.
Bevor mir das aufgefallen war, fand ich Interstellar ganz nett“. Er beginnt etwas schmalzig wie ein durchschnittlicher Amerikanischer Heldenfilm - vom armen Farmer zum Retter der Welt in …naja, knappen 3h. Er erfüllt dabei aber nicht alle Klischees und man spürt irgendwie, dass das nicht alles ist.
Auffallend ist, dass eigentlich den ganzen Film über auf spektakuläre (GCI-)Spezialeffekte im wesentlichen verzichtet wird. Besonders deutlich wird das meiner Meinung nach, als die ersten Raumschiffe ins Spiel kommen. Anstatt hier Gravity nachzueifern kommen fast ein wenig billig wirkende Modelle zum Einsatz, auf denen eigentlich nur noch irgendwo der "Revell“-Schriftzug fehlt. Nolan ist kein Stümper, was CGI angeht - was er nicht zuletzt mit Inception eindrücklich bewiesen hat. Er könnte bestimmt auch anständige Raumschiffe - wenn er gewollt hätte. Tatsächlich erinnert das ganze ein wenig an die Machart früher Science-Fiction Filme, allen voran 2001: Odyssee im Weltraum. Ansonsten tut das dem Filmgenuss meiner Meinung nach eigentlich keinen Abbruch.
Spätestens nach dem Ausflug Coopers im schwarze Loch war Interstellar für mich dann erstmal eine billige Kopie von 2001. Die Ähnlichkeit zur „Wiedergeburt“ Bowmans war einfach zu krass. Auch hat der TARS-Roboter aus Interstellar ähnliche Fragen zum Umgang mit Menschen wie HAL 9000.
Unglaublich. Die Batman Filme jetzt mal aussen vor gelassen, war Nolan ja bisher eigentlich nicht dafür bekannt den Stoff seiner Filme zusammen zu klauen.
...und jetzt das?
Nach einiger Überlegung reift nun die Erkenntnis ob die Kopie vielleicht doch gar nicht so "billig" war. Nolan beweist durchaus gewisses Feingefühl, indem er einige spitzfindige Abwandlungen zu 2001 einbaut. Zwei Beispiele:
- 1. Während HAL 9000 angesichts seiner drohenden Abschaltung rebelliert und seine Crew umbringen will, hat der bereits angesprochene TARS überhaupt kein Problem damit in den sicheren Tod zu fliegen um der Crew das überleben zu sichern. Es reicht ihm eigentlich schon der einfache Auftrag dazu, wie Nolan in einem recht explizitem Dialog herausarbeitet.
- 2. Während der Monolith in 2001 beharrlich an die Existenz irgendwelcher Wesen aus anderen Ebenen oder Dimensionen erinnert, kommt Cooper im schwarzen Loch zu der Erkenntnis, dass gewisse 5-dimensionale Wesen, die die Geschicke der Menschen zu Ihrer Rettung leiten, am Ende gar nicht existieren, sondern die Menschen selbst sind.
Letzteres ist in der Tat noch ein interessanter Punkt zu einer Kernaussagen des Films: Gott (oder andere 5-Dimensionale Wesen) existieren nicht - nur die Wissenschaft wird die Menschheit retten. Dabei darf man den Faktor Mensch allerdings nicht vergessen (Dr. Mann und sein Planet sowie Brand, die eher der Liebe gefolgt wäre...).
Das mag für unsereinen vielleicht wenig revolutionär klingen, ein schöner Seitenhieb auf kreationistische Bewegungen als in den Geschichtsbüchern die Apollo-Programme geleugnet werden, zeigt aber dass das leider doch nicht ganz selbstverständlich ist.
Lassen wir den Zwiespalt "billige Kopie von…" oder "Hommage an 2001" für einen Moment außer Acht, habe ich eigentlich zwei Haupt-Kritikpunkte an dem Film, die ich während der Vorstellung bisweilen fast schon etwas nervig empfand: zum einen penetrante Rührseligkeit und zum anderen die wissenschaftlich anmutend Dialoge über Gravitation und die Zeit und so. Retrospektiv betrachtet, beides vermutlich einfach Versuche die Kernaussage zu untermauern. Ich finde hier wurde etwas übertrieben - v.a. wenn man weiss, dass man sich wissenschaftlich auf extrem dünnem Eis bewegt, wäre in meinen Augen eine oberflächlichere (schnellere) Abhandlung hier sinnvoller gewesen...
Anyhow... - Fazit also: wer sich an 2001: Odyssee im Weltraum versucht, kann eigentlich nur verlieren. Auch ein Christopher Nolan macht da keine Ausnahme. Vielleicht kann Interstellar als eine Art massenkompatible Version des nicht unumstrittenen Klassikers durchgehen. Er verirrt sich leider des öfteren etwas in schmalziger Gefühlsduselei und pseudo-wissenschaftlichen Abhandlungen. Die Erwartungen werden von Trailer und verschiedenen Kritiken (Schrägstrich Marketing) und nicht zuletzt dem gegenwärtigem IMDB-Rang definitiv zu hoch gesetzt. Dennoch ist der Film sehenswert. Auch ohne cutting-edge CGI-Effekte ist er sehr bildgewaltig und profitiert von einer grossen Leinwand. Nolan beherrscht eben doch sein Handwerk.
Ich empfehle vorher noch mal 2001: Odyssee im Weltraum in Erinnerung zu rufen - Interstellar ist vollgestopft mit Anspielung. Ich werde das jetzt nachholen… ;-)
Allein auf Grund der thematischen Nähe ist man geneigt Gravity oder eben 2001: Odyssee im Weltraum unter "wenn ihnen diese Filme gefallen“ zu nennen. Ich glaube aber gerade, wenn man mit dieser Erwartungshaltung hinein geht, wird man in jedem Fall enttäuscht werden. Als neutralen Vergleich werfe ich daher besser Danny Boyles Sunshine ins Rennen...
comments. 1
Würde dir, so schwer es fällt, im Wesentlichen zustimmen. Das Problem vieler Nolan-Filme, jeden Pups mit Erklärbär-Dialogen zu untermauern, macht sich bei Interstellar leider schmerzhaft bemerkbar.
Dennoch fand ich den Film gut, überraschend kurzweilig und auch klar besser als z.B. Sunshine.